Der Eiserne Steg: Frankfurts Brücke mit Blick nach Griechenland

Zwischen Skyline und Schifffahrt – ein Spaziergang über den Eisernen Steg erzählt nicht nur Frankfurter Geschichte, sondern auch von der Odyssee zu anderen Kulturen.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Aktuell/Kunst & Kultur – In Frankfurt am Main, zwischen dem geschäftigen Römerberg und den gemütlichen Apfelweinkneipen von Sachsenhausen, spannt sich seit über 150 Jahren ein elegantes Band aus Stahl über den Fluss: der Eiserne Steg. Was auf den ersten Blick wie eine schlichte Fußgängerbrücke wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein historisches Denkmal – und als poetische Brücke zwischen Frankfurt und der weiten Welt, insbesondere dem alten Griechenland.

Errichtet im Jahr 1869 durch das Engagement Frankfurter Bürger, war der Eiserne Steg ein mutiges Unterfangen in einer Zeit rasanter Urbanisierung. Die alte Mainbrücke reichte bei Weitem nicht mehr aus, um den wachsenden Verkehr zu bewältigen – vom Fiaker bis zur Bierlieferung. Doch der Magistrat zeigte sich zögerlich. Also griff man zur Selbsthilfe, sammelte Geld durch Anteilsscheine und setzte ein Zeichen für bürgerschaftliches Engagement, das bis heute nachhallt.

Architektonisch beeindruckend, mehrfach verändert und dennoch stets ihrem historischen Erscheinungsbild treu geblieben, wurde die Brücke nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut und später modernisiert. Heute ist der Eiserne Steg barrierefrei, sicher und – besonders bei Sonnenuntergang – einer der schönsten Orte, um Frankfurt zu erleben.

Foto: Tobias Rehbein/Pixabay

Doch wer genau hinsieht, entdeckt mehr als Technik und Geschichte: Ein Zitat in altgriechischer Schrift ziert die Stahlkonstruktion über dem nördlichen Strompfeiler. Es stammt aus Homers Odyssee:

ΠΛΕΩΝ ΕΠΙ ΟΙΝΟΠΑ ΠΟΝΤΟΝ ΕΠ ΑΛΛΟΘΡΟΟΥΣ ΑΝΘΡΩΠΟΥΣ
„Ich fahre über das weinrote Meer zu Menschen anderer Zunge“.

Diese Worte, 1999 zum Goethejahr vom Künstler Hagen Bonifer angebracht, sind mehr als ein Zitat – sie sind eine Brücke in Gedanken. Sie verbinden Frankfurt mit dem Mittelmeer, mit dem kulturellen Erbe Griechenlands und der Idee des Reisens als Begegnung mit dem Fremden.

Das Zitat ist nicht zufällig gewählt. Frankfurt, die Stadt Goethes, versteht sich als Knotenpunkt europäischer Geistesgeschichte. Homers Zeile schlägt den Bogen von der Odyssee zur Moderne, von der mythischen Seefahrt zur alltäglichen Migration. Der Eiserne Steg wird damit zur Metapher: für Austausch, Offenheit, Wandlung – Themen, die auch Griechenland seit der Antike mit der Welt verbanden.

So erinnert der Brückengang über den Main nicht nur an Frankfurts historische Stadtentwicklung, sondern auch an die Reise über das „weinrote Meer“ – zu neuen Ufern, zu neuen Kulturen. Der Eiserne Steg ist nicht nur Übergang, sondern Einladung: zum Verweilen, zum Nachdenken, zur Begegnung.

Wer heute den Eisernen Steg überquert, schreitet auf den Spuren jener, die ihn mit Ideen, Stahl und Entschlossenheit erbaut haben – und begegnet zugleich dem Geist der antiken Welt. Es ist dieser stille Dialog zwischen Technik und Poesie, zwischen Frankfurt und Griechenland, der dem Eisernen Steg seine besondere Magie verleiht.

Ob als Ort für romantische Spaziergänge, als Fotomotiv mit Skylineblick oder als Denkmal europäischer Verbindung: Der Eiserne Steg gehört zu den Brücken, die mehr als nur Ufer verbinden – er verknüpft Zeiten, Welten und Gedanken.

Tipp für Reisende:
Wer das Zitat aus der Odyssee entdeckt hat, sollte den Blick heben und sich vorstellen, selbst auf dem „weinroten Meer“ unterwegs zu sein – in einer Stadt, die stets zwischen gestern und morgen schwebt. (sk)

Foto: Leonhard Niederwimmer/Pixabay