Ein fiktives Interview mit Alkaios von Lesbos.
Von HB-Redakeurin Maria Vlachou
Kunst & Kultur – Ort: Mytilene, Lesbos – ein schattiger Hain nahe der Akropolis. Zeit: ca. 600 v. Chr. Der Dichter Alkaios empfängt uns mit einem Becher Wein in der Hand.
Maria Vlachou: Herr Alkaios, Sie gelten als einer der bedeutendsten Lyriker Ihrer Zeit. Was hat Sie zur Dichtung gebracht?
Alkaios: Die Welt selbst, mein Freund. Der Krieg, der Wein, die Liebe – das Leben ruft nach Gesang. Und wir von Lesbos, wir antworten. Schon als junger Mann sang ich von politischen Wirren und später von den Göttern und vom Becher, der uns allen Trost spendet.
Maria Vlachou: Ihre Gedichte behandeln oft politische Themen. Welche Rolle spielte Politik in Ihrem Leben?
Alkaios: Eine große. Ich war kein Zuschauer, sondern Teil der Kämpfe um die Freiheit unserer Polis. Meine Verse waren Waffen gegen Tyrannen wie Myrsilos, den ich in einem Lied mit dem Tod begrüßte. Dichtung kann kämpfen – mit Worten wie Lanzen.
Maria Vlachou: Und dennoch sieht man in Ihren Werken auch den heiteren Trinker und Lebemann.
Alkaios (lacht): Warum nicht? Der Gott Dionysos hat seinen Platz neben Ares. Wenn der Wein fließt, öffnet sich das Herz. Mein Symposion ist ein Ort der Wahrheit – da wird gesungen, gestritten, geliebt.
Maria Vlachou: Ihre Zeitgenossin Sappho stammt ebenfalls aus Lesbos. Wie war Ihr Verhältnis zu ihr?
Alkaios: Sappho – sie war ein Wunder. Ich schätzte ihre Kunst sehr, ihre Zartheit und Tiefe. Unsere Stimmen waren verschieden, aber sie hallten durch dieselben Olivenhaine. Ich soll ihr ein Gedicht gewidmet haben. Ob sie je auf mich antwortete, weiß nur der Wind.
Maria Vlachou: Leider sind viele Ihrer Werke nur in Fragmenten erhalten. Was würden Sie modernen Lesern mitgeben wollen?
Alkaios: Dass das Leben stürmisch ist, aber auch schön. Dass der Mensch standhaft sein soll wie das Schiff im Sturm – ein Bild, das ich oft gebrauchte. Und dass es Mut braucht, frei zu leben und zu sprechen.
Maria Vlachou: Vielen Dank, Alkaios. Möchten Sie unseren Lesern ein Zitat mitgeben?
Alkaios: Gerne. Ich sagte einst:
„Wein, der das Leid der Menschen vertreibt – trinken wir! Denn das Leben ist kurz.“ (mv)
