Die Bedeutung der Seegraswiesen und das Neptungras: Ein kritischer Beitrag zum Schutz mariner Ökosysteme

Seegraswiesen gehören zu den wichtigsten, jedoch oft übersehenen marinen Ökosystemen. Sie sind nicht nur von großer ökologischer Bedeutung, sondern spielen auch eine wesentliche Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Eine besondere Seegrasart ist das Neptungras (Posidonia oceanica), das für das Mittelmeer typisch ist.
Von HB-Redakteur Panos Ventouris

Natur & Umwelt – Seegraswiesen stellen wichtige Lebensräume in Küstengewässern dar. Sie bieten unzähligen Meerestieren wie Fischen, Krebsen und Weichtieren Unterschlupf, Nahrung und Laichplätze. Vor allem Jungfische und Jungtiere finden in den dichten Seegraswäldern Schutz vor Räubern. Zugleich sind Seegraswiesen von entscheidender Bedeutung für die Stabilisierung von Küstenlinien, da sie Erosion verhindern, indem sie Sedimente festhalten.

Eine besonders hervorzuhebende Rolle von Seegraswiesen ist ihre Fähigkeit zur Kohlenstoffspeicherung. Studien zeigen, dass Seegraswiesen Kohlenstoff bis zu 35-mal schneller speichern können als tropische Regenwälder. Diese sogenannten „blauen Kohlenstoffspeicher“ tragen dazu bei, den Kohlenstoffdioxid-Gehalt in der Atmosphäre zu verringern und somit dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Foto: Hellas-Bote

Das Neptungras, auch als Mittelmeer-Seegras bekannt, ist eine endemische Seegrasart des Mittelmeers. Botanisch betrachtet gehört es zur Familie der Posidoniaceae. Posidonia oceanica bildet dichte Unterwasserrasen, die bis in Tiefen von etwa 40 Metern vorkommen können. Die Pflanze hat lange, bandförmige Blätter, die bis zu 1,5 Meter lang werden können. Diese Blätter wachsen in Büscheln aus horizontal wachsenden Rhizomen heraus, welche sich im sandigen oder schlammigen Untergrund verankern.

Die Blüten des Neptungrases sind eher unscheinbar und windbestäubt, was unter Wasser eine Seltenheit darstellt. Nach der Blüte bildet die Pflanze Früchte, die aufgrund ihrer Form „Neptunäpfel“ genannt werden. Diese treiben an die Wasseroberfläche, wo sie sich von Strömungen treiben lassen, bevor sie sinken und wurzeln.

Das Neptungras ist ausschließlich im Mittelmeer zu finden und besiedelt überwiegend klare, nährstoffarme und sonnenreiche Küstenbereiche. Große Wiesen aus Neptungras erstrecken sich vor allem entlang der Küsten Italiens, Spaniens, Frankreichs, Griechenlands sowie in Teilen Nordafrikas. Die Pflanze ist sehr empfindlich gegenüber Umweltveränderungen, was sie zu einem wichtigen Indikator für den ökologischen Zustand des Mittelmeers macht.

Diese Seegrasart bevorzugt Wassertemperaturen zwischen 10 und 28 Grad Celsius und ist an stabile Umweltbedingungen gebunden. Tiefere oder trübere Gewässer, in denen weniger Licht das Seegras erreicht, sind für Posidonia oceanica ungeeignet.

Leider sind die Seegraswiesen, einschließlich der Neptungraswiesen, weltweit stark bedroht. Schätzungen zufolge gehen jährlich etwa 1,5 % der weltweiten Seegraswiesen verloren – eine alarmierende Rate. Das Neptungras ist besonders von den folgenden Bedrohungen betroffen:

  1. Küstenerosion und menschliche Eingriffe: Baumaßnahmen an Küsten, darunter Hafenbau, Tourismusinfrastruktur und künstliche Sandaufspülungen, führen häufig zur Zerstörung von Seegraswiesen. Dabei wird der Lebensraum des Neptungrases direkt beschädigt.
  2. Verschmutzung und Eutrophierung: Abwässer, Düngemittel und Schadstoffe aus der Landwirtschaft und Industrie gelangen in die Küstengewässer und fördern das Wachstum von Algen. Diese Algen blockieren das Sonnenlicht, das das Neptungras zum Wachsen benötigt. Zudem führt die Zunahme organischer Stoffe zu einer Verschlammung des Meeresbodens, was ebenfalls das Wachstum des Neptungrases hemmt.
  3. Klimawandel: Der Klimawandel bringt steigende Wassertemperaturen und veränderte Wettermuster mit sich, die die Lebensbedingungen für das Neptungras erschweren. Durch Erwärmung können viele Neptungraswiesen irreversibel geschädigt werden, da die Pflanze nur begrenzt an wärmere Temperaturen angepasst ist.
  4. Schleppnetze und Anker: Die Fischerei mit Grundschleppnetzen und das Ankern von Booten führen zu mechanischen Schäden an den Seegraswiesen. Vor allem der Freizeitverkehr und der steigende Bootsverkehr im Mittelmeer setzen dem Neptungras zu.
  5. Einwandernde Arten: Invasive Arten wie die tropische Alge Caulerpa taxifolia verdrängen das Neptungras in einigen Regionen, da sie schneller wächst und robuster gegenüber Umweltveränderungen ist.

Der Schutz der Neptungraswiesen und allgemein der Seegraswiesen ist für die Stabilität mariner Ökosysteme von entscheidender Bedeutung. Einige Regionen des Mittelmeers haben bereits Schutzgebiete eingerichtet, in denen das Ankern und Fischen verboten ist, um die Erhaltung dieser wertvollen Lebensräume zu sichern. Auch Wiederaufforstungsprojekte für Seegraswiesen werden in verschiedenen Ländern initiiert. Diese Projekte sind jedoch aufwändig, da das Neptungras sehr langsam wächst und Jahrzehnte benötigt, um sich vollständig zu regenerieren.

Neben lokalen Schutzmaßnahmen sind auch internationale Bemühungen notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen und die Meeresverschmutzung einzudämmen. Eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung, insbesondere der Küstenanwohner und Touristen, für die Bedeutung von Seegraswiesen ist ebenfalls unerlässlich. Ohne ein globales Umdenken könnte das Neptungras bald nur noch ein Relikt vergangener Zeiten sein. (pv)

Foto: Hellas-Bote