Die Karyatiden der Akropolis sind ikonische Säulenfiguren, die das Erechtheion, einen der wichtigsten Tempel auf der Akropolis von Athen, schmücken. Diese kunstvoll gestalteten weiblichen Statuen sind nicht nur bedeutende Beispiele antiker griechischer Bildhauerkunst, sondern auch ein Symbol für das kulturelle Erbe Griechenlands. Seit Jahren gibt es jedoch eine kontroverse Diskussion über die Rückgabe einer der Karyatiden, die sich im Britischen Museum in London befindet.
Von HB-Redakteurin Soula Dimitriou
Kultur/Aktuell – Das Erechtheion, ein Tempel auf der Akropolis von Athen, wurde zwischen 421 und 406 v. Chr. während der Hochblüte der attischen Demokratie erbaut. Der Tempel ist dem Gott Erechtheus gewidmet, einem mythischen König von Athen, und vereint verschiedene Kulte, darunter die der Athene und des Poseidon.
Die Karyatiden sind sechs weibliche Figuren, die die Decke der südlichen Veranda des Erechtheions tragen. Sie sind etwa 2,3 Meter hoch und wurden um 420 v. Chr. von einem unbekannten Bildhauer im Stil des klassischen Griechenlands geschaffen. Die Karyatiden tragen ein archaisches Lächeln, ihre Gewänder (Chiton) sind kunstvoll drapiert und betonen die weibliche Form. Jede Karyatide unterscheidet sich in ihrer Haltung und den Faltenwürfen ihres Gewands, was auf die hohe Kunstfertigkeit der antiken Bildhauer hinweist. Es lohnt sich also eine Reise nach Athen.
Die Karyatiden symbolisieren Stärke und Schönheit und repräsentieren die Frauen der Stadt Karyai in Lakonien, die während der Perserkriege Athen unterstützt haben sollen. Diese Säulenfiguren sind nicht nur architektonische Elemente, sondern auch Darstellungen idealisierter Weiblichkeit und Trägerinnen einer kulturellen Identität.
Im frühen 19. Jahrhundert, während Griechenland noch unter osmanischer Herrschaft stand, wurden viele antike Artefakte von ausländischen Sammlern und Diplomaten entfernt. Einer der bekanntesten unter ihnen war Thomas Bruce, der 7. Earl of Elgin, der von 1801 bis 1812 zahlreiche Skulpturen von der Akropolis nach Großbritannien brachte. Diese wurden später als Elgin Marbles bekannt. Zu diesen Artefakten gehört auch eine der Karyatiden, die Elgin 1801 entfernen ließ. Sie wurde nach London gebracht und ist seitdem Teil der Sammlung des Britischen Museums.
Seit Jahrzehnten fordert Griechenland die Rückgabe der Karyatide und der anderen Elgin Marbles. Die Argumente Griechenlands basieren auf kulturellen und historischen Ansprüchen sowie auf ethischen Überlegungen. Die Karyatiden sind ein integraler Bestandteil des Erechtheions und somit des kulturellen Erbes Griechenlands.
Das Britische Museum argumentiert hingegen, dass die Artefakte rechtmäßig erworben wurden und dass sie in London besser erhalten und einem breiteren internationalen Publikum zugänglich gemacht werden. Kritiker dieser Position weisen darauf hin, dass die rechtliche Basis von Elgins Erwerbungen fragwürdig ist und dass moderne Restaurierungs- und Ausstellungsmöglichkeiten in Griechenland ebenfalls auf höchstem Niveau sind.
Die Diskussion um die Rückgabe der Karyatiden und der Elgin Marbles hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen. Die griechische Regierung hat kontinuierlich diplomatische Bemühungen unternommen und die öffentliche Meinung auf internationaler Ebene mobilisiert. Ein symbolischer Schritt war der Bau des Akropolis-Museums in Athen, das 2009 eröffnet wurde und als moderner, sicherer Aufbewahrungsort für die zurückgeforderten Artefakte dient.
Die Diskussion um die Karyatiden und die Elgin Marbles hat auch zu einem verstärkten Bewusstsein für die Bedeutung des kulturellen Erbes und der Notwendigkeit seiner Bewahrung geführt. Bildungsprogramme und öffentliche Ausstellungen tragen dazu bei, das Wissen über diese Artefakte und ihre historische Bedeutung zu verbreiten. Solche Initiativen fördern das Verständnis und den Respekt für das kulturelle Erbe verschiedener Nationen und Kulturen.
Auf internationaler Ebene könnten künftige Übereinkommen und Gesetze zur Rückgabe kultureller Artefakte von entscheidender Bedeutung sein. Bereits bestehende Abkommen wie die UNESCO-Konvention von 1970, die sich mit dem illegalen Handel mit Kulturgütern beschäftigt, könnten durch spezifischere Regelungen ergänzt werden, die die Rückgabe von Kulturgütern an ihre Herkunftsländer fördern.
Ein möglicher Ansatz zur Lösung solcher Streitigkeiten ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Museen weltweit. Leihverträge und gemeinsame Ausstellungen könnten den Zugang zu kulturellen Artefakten für ein breiteres Publikum ermöglichen, während gleichzeitig das Ursprungsland angemessen anerkannt wird. Solche Kooperationen könnten dazu beitragen, den Druck von Rückgabeforderungen zu mindern und gleichzeitig die kulturelle Bedeutung und Geschichte der Artefakte zu würdigen. (sd)