Ohne Vorwarnung hat die staatliche griechische Postgesellschaft ELTA am Wochenende mehr als zweihundert ihrer Filialen geschlossen – fast jede zweite im Land. Der plötzliche Schritt, offiziell mit finanziellen Schwierigkeiten begründet, sorgt für Empörung in Gemeinden, Städten und im Parlament. Selbst Vertreter der Regierungspartei wenden sich gegen die Entscheidung, die das Land in Aufruhr versetzt hat.
Von HB-Redakteurin Maria Vlachou
Aktuell – Noch am Freitagabend schlossen die Angestellten in 456 Postämtern regulär ihre Türen. Doch 204 von ihnen öffneten nie wieder. Von der Hauptstadtregion Attika, in der rund 40 Standorte betroffen sind, bis zu entlegenen Inseln und Gebirgsdörfern bleiben die Schalter dauerhaft geschlossen. Für viele Orte bedeutet dies das Ende eines zentralen öffentlichen Dienstes – und in manchen Fällen den Verlust der letzten staatlichen Einrichtung überhaupt.
Die Leitung der ELTA begründet die Schließungen mit der angespannten Finanzlage des Unternehmens. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Einnahmen auf 249 Millionen Euro, gleichzeitig musste ein Verlust von 8,4 Millionen Euro verbucht werden. Das Eigenkapital der Gesellschaft lag mit minus 140,1 Millionen Euro tief im roten Bereich. Nach Angaben der ELTA hätten die nun betroffenen Filialen zusammen im Jahr 2024 ein Defizit von 150.000 Euro verursacht – eine Summe, die angesichts der Gesamtbilanz kaum ins Gewicht fällt, aber symbolisch für den Sparkurs steht, den das Management eingeschlagen hat.
Finanzminister Kyriakos Pierrakakis bezeichnete die Maßnahme im Parlament als „schwierig, aber notwendig“. Offiziell betont das Ministerium, die Entscheidung sei unabhängig von der Regierung getroffen worden. Doch Beobachter zweifeln an dieser Darstellung. Die ELTA gehört dem staatlichen Beteiligungsfonds HCAP, der direkt dem Finanz- und Wirtschaftsministerium untersteht. Damit gilt als wahrscheinlich, dass die Regierung in die Pläne eingeweiht war und sie stillschweigend billigte.
Für die Bevölkerung kam der Schritt völlig unerwartet. Zwischen Ankündigung und Umsetzung lagen kaum 48 Stunden. Kritiker sprechen von einem Versuch, die Schließungen durchzusetzen, bevor sich Widerstand organisieren konnte. Doch der ließ nicht lange auf sich warten: Schon am Wochenende fanden in zahlreichen Gemeinden spontane Versammlungen und Protestaktionen statt. Besonders stark ist die Empörung in ländlichen Regionen, wo Bürgerinnen und Bürger nun lange Wege in Kauf nehmen müssen, um Briefe zu versenden, Renten abzuholen oder Pakete zu empfangen.
Antonios Goudaras, Bürgermeister der Gemeinde Agia bei Larisa, spricht von einem „Todesstoß“ für seinen Ort, der seit Jahren unter Abwanderung leidet. In der westgriechischen Provinz Achaia äußerte Theodoros Baris, Bürgermeister von Erymanthos, die Sorge, dass der Verlust des Postamts erst der Anfang sei: „Heute ist es die Post, morgen sind es die Schulen und Gesundheitszentren.“ Beide Bürgermeister haben zusammen mit weiteren Kommunalvertretern eine Eingabe an die Regierung gerichtet, um die Schließungen rückgängig zu machen.
Der Widerstand wächst auch im politischen Betrieb. Abgeordnete der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia distanzieren sich zunehmend von der Entscheidung. Mehrere Parlamentarier fordern, die gesetzlich verankerte Verpflichtung zur flächendeckenden Versorgung mit Postdienstleistungen müsse eingehalten werden. Auf Druck von Oppositions- und Regierungsabgeordneten wurde für diesen Dienstag eine Sondersitzung des parlamentarischen Finanzausschusses einberufen, um die Vorgänge bei der ELTA zu prüfen.
Inzwischen mehren sich Hinweise, dass die Postgesellschaft ihre Umstrukturierung weiter vorantreiben will. Branchenkenner erwarten, dass nach der Schließung der Filialen auch Personal abgebaut und Dienstleistungen digitalisiert werden. Für viele ältere Menschen und Bewohner abgelegener Regionen wäre dies ein weiterer Verlust an Teilhabe und öffentlicher Daseinsvorsorge. Wie viele Arbeitsplätze tatsächlich gefährdet sind, ist bislang unklar – ebenso, ob die Regierung angesichts des Drucks aus der Bevölkerung an ihrem Kurs festhält oder zu Zugeständnissen gezwungen wird. (mv)

