Wasser wie aus Marmor: Die unsichtbaren Ströme der Götterstadt

Ein Blick auf die Wasserversorgung Athens – vom antiken Quellgeist bis zur modernen Metropole.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

#Athen – Athen, die Wiege der Demokratie, ist nicht nur ein kulturelles Epizentrum Europas, sondern auch ein Meisterwerk antiker Ingenieurskunst. Während Millionen Besucher den Parthenon bewundern, bleibt ein anderer, unsichtbarer Schatz meist verborgen: das Wassersystem der Stadt – einst Lebensquelle der Philosophen, heute Hightech-Hydrologie im urbanen Alltag.

Bereits im antiken Athen wusste man: Ohne Wasser kein Leben, keine Stadt, keine Zivilisation. Schon im 6. Jahrhundert v. Chr. erkannten die Stadtväter die strategische Bedeutung der Wasserversorgung – ein mutiger Blick in eine technologische Zukunft, wie ihn nur wenige antike Städte wagten. Die Quelle Kallirrhoë, an den Ufern des Ilissos, galt als heilig. Doch trotz ihrer symbolischen Bedeutung konnte sie dem wachsenden Durst der Bevölkerung nicht gerecht werden.

So wurde Wasser aus den nahegelegenen Bergen Hymettos und Pentelikon herangeführt – ein Wunderwerk antiker Technik. Besonders eindrucksvoll war das Bauwerk des römischen Kaisers Hadrian im 2. Jahrhundert n. Chr., der ein Aquädukt errichten ließ, um Wasser vom Penteli-Gebirge bis zum Südhang des Lykabettos-Hügels zu bringen. Das dortige Reservoir, heute als Dexameni bekannt, zeugt noch immer von diesem zivilisatorischen Meilenstein. Teile des Aquädukts sind in Nea Ionia zu besichtigen – stille Zeugen einer Zeit, als Wasser bereits als öffentliches Gut verstanden wurde.

Konservierter Querschnitt der antiken Athener Kanalisation an der Metrostation Akropoli – Foto: ChristosV, CC BY-SA 3.0, wikimedia.org

Im 20. Jahrhundert setzte Griechenland den Ausbau der Wasserversorgung fort. Der Marathon-Stausee, erbaut zwischen 1926 und 1929, markierte einen neuen Abschnitt in der Versorgung Athens. Ergänzt wurde er durch Wasser aus dem Yliki-See in Böotien (ab 1959) sowie dem Mornos-Stausee in Fokida (seit 1981). Diese Quellen versorgen heute das urbane Zentrum einer Metropole mit über vier Millionen Menschen.

Das Wassernetz von Athen misst heute stolze 9.500 Kilometer, betrieben von der staatlichen Wassergesellschaft EYDAP, die seit 1999 an der Börse notiert ist. Trotz wachsendem Druck in Richtung Privatisierung bleibt Wasser in Athen ein öffentliches Anliegen – wie einst in der Antike.

Auch das Abwassersystem Athens folgt einem historischen Pfad. Schon die antiken Athener kannten Kanalisationssysteme – ein konservierter Querschnitt ist heute an der Metrostation Akropoli zu bewundern. Doch mit der Moderne kamen neue Herausforderungen. Bis in die 1990er-Jahre wurden große Teile des Abwassers ungeklärt in den Saronischen Golf geleitet. Die Folgen waren gravierend: hohe chemische Belastungen und bakterielle Verseuchung der Gewässer.

Die Wende kam 1990 mit dem Bau der zweitgrößten Kläranlage Europas auf der kleinen Insel Psyttalia. Heute verarbeitet sie täglich eine Million Kubikmeter Abwasser – ein technisches Meisterstück. Durch biologische, chemische und mechanische Verfahren wird die Umweltbelastung drastisch reduziert. Seit 2004 wird eine tertiäre Reinigung durchgeführt, die organische Schadstoffe bis zu 93 Prozent und Stickstoffe bis zu 80 Prozent entfernt.

Die gereinigten Wasserströme sollen künftig für die Bewässerung von Aufforstungsprojekten im Gebiet Egaleo dienen – ein moderner Kreislauf, der die Vision antiker Nachhaltigkeit aufgreift und weiterträgt. (sk)