Echo der Antike – Aradena: Das verlassene Dorf auf Kreta

Still liegt es da, eingebettet in die wilden Höhen der Lefka Ori – das fast vergessene Dorf Aradena, einst ein pulsierender Ort zwischen Seehandel, byzantinischer Pracht und revolutionären Kämpfen. Heute zählt das Dorf im Süden Kretas nur noch vier Einwohner, doch seine griechischen Wurzeln reichen tief – bis in die Antike.
Von HB-Redakteurin Sabrina Köhler

Reisen – Nur wenige Kilometer vom beliebten Küstenort Loutro entfernt, erhebt sich Aradena in 520 Metern Höhe, umrahmt von der dramatischen Aradena-Schlucht. Diese bis zu 100 Meter tiefe Schlucht trennt das Dorf von der fruchtbaren Anopolis-Hochebene und war einst Zeuge von Kämpfen, Bündnissen und Kulturen – von den Phöniziern bis zur griechischen Revolution.

Die antike Stadt Aradin, auf deren Fundamenten Aradena errichtet wurde, ist nachweislich eine von 30 Städten, die sich 183 v. Chr. mit dem König Eumenes II. von Pergamon verbündeten. Archäologische Funde in Passopetra und Xenotifi bezeugen die lange Siedlungsgeschichte. Der Ursprung des Namens wird auf das phönizische „aruad“ (Schutz) oder das altgriechische „arados“ (Aufruhr) zurückgeführt – passend zur Lage des Dorfes, dessen Felsen einst das Wellenrauschen bis in die Berge trugen.

Foto: WikimediaImages/Pixabay

Die Kirche des Erzengels Michael, erbaut im 14. Jahrhundert auf den Ruinen einer frühchristlichen Basilika, bleibt eines der bedeutendsten Zeugnisse byzantinischer Kontinuität. Auch das spätere venezianische und osmanische Zeitalter hinterließ Spuren: Aradena florierte im Seehandel, bis es in den Wirren des 18. und 19. Jahrhunderts in revolutionären Flammen versank – insbesondere bei den Kämpfen von Daskalogiannis (1770) und in der Revolution von 1866 gegen das Osmanische Reich.

Erst 1986 erhielt das Dorf wieder Anschluss an die Zivilisation – durch den Bau einer 70 Meter langen Eisenbrücke, finanziert von der einflussreichen Familie Vardinogiannis. Heute dient die Brücke nicht nur als Verkehrsverbindung, sondern ist ein beliebter Ort für Bungee-Jumping – mit 138 Metern Fallhöhe über die dramatische Schlucht hinweg.

Trotz seiner Abgeschiedenheit ist Aradena heute ein magnetischer Ort für Wanderer, Geschichtsinteressierte und Abenteuerlustige – ein stiller Zeuge einer langen griechischen Kulturgeschichte, verborgen zwischen Himmel, Stein und Legende. (sk)

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